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Ein unordentlicher
Mensch,der dem Sterben nahe ist und nichts davon ahnt,
fängt mit einem Male an, überall Ordnung zu schaffen.
Er ändert seine Lebensweise, sichtet seine Papiere.
Er steht früh auf, geht zeitig zu Bett.
Er gewöhnt sich seine Laster ab.
Seine Umgebung ist entzückt.
Umso ungerechter erscheint dann sein plötzlicher Tod.
Endlich hätte ein glückliches Leben für ihn begonnen.
Raymond Radiguet
"Den Teufel im Leib" / "Le diable au corps"
© Editions Bernard Grasset, Paris, 1923
Fischer Taschenbuch No. 251, S. 151, 1959
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Nichts
liegt ihm ferner als die Anhäufung und Hortung.
An den sinnlichen Genuss der Beute und des Beutemachens ist der
Seeräuber so sehr gebunden, dass nur auf der Flucht die Idee
des Vergrabens hat.
Diese Art Flucht ist auch ein Fliehen der Beute, und der Pirat weiß,
daß die Vergrabene auf immer dahin ist.
Felix Hoffmann
"Erinnerung an das Handwerk des Piratenlebens"
aus: Filmkritik No. 202, Oktober 1973
Am 15.04.1994 von Rainer Knepperges als Spruch gerahmt zum Geburtstag
bekommen. Mit Widmung: "Für Bernhard". Hing an
der Kopfseite meines Bettes links an der Wand.
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Recht
auf leere Büchsen wie Recht auf Bibliothek
Berlin,
24. März (Reuter). Wer seine Wohnung mit leeren Jogurtbechern,
Gurkengläsern, Bierbüchsen und ähnlichem vollstopft,
kann das ebenso unbehelligt tun wie ein Büchernarr, der eine
große Bibliothek ansammelt. Das entschied das Verwaltungsgericht
Berlin in einem am Montag veröffentlichten Urteil. Es gab damit
einer Mieterin Recht, deren Untermieter in sämtlichen Räumen
der Zweizimmerwohnung einschließlich Toilette und Küche
leere Verpackungen gehortet hatte, die sich bis zur Decke stapelten.
Darin hatte das Wilmersdorfer Bezirksamt eine Zweckentfremdung von
Wohnraum gesehen.
Die Sammelleidenschaft des Untermieters habe die Wohnung zum Lagerraum
gemacht, argumentierte das Bezirksamt. Die Räume müssten
wieder dem reinen Wohnen dienen. Dem folgte das Gericht nicht, denn
Nachbarn versicherten eidesstaatlich, daß der Untermieter
weiterhin von seinen Schätzen umgeben in der Wohnung lebe.
Die Meinung der Behörde, die Nutzung als Lagerung überwiege,
verkenne "den Spielraum individueller Lebensgestaltung",
befand das Gericht. Solange das Sammeln der Verpackungen nicht einem
gewerblichen Zwecke diene, sei es mit der Anhäufung großer
Mengen von Büchern für den Privatgebrauch zu vergleichen.
(Aktenzeichen 10 A 46.96)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, März 1997
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